Die Sage vom blinden Schimmel
Es liegt schon viele Jahrhunderte zurück, da baute die Gemeinde Neuenkirchen einen neuen Kirchturm. Als man nun mit den Bauarbeiten begonnen hatte, fand sich ein blinder Schimmel bei der Baustelle ein, ohne daß jemand ihn dorthin geführt hätte. Die Sage erzählt, er habe einem Bauern aus Kokenwahlde oder Wahlde gehört.
Der blinde Schimmel schleppte ganz allein ohne Fuhrwerk und ohne Fuhrmann alle zum Turmbau notwendigen Steine heran. Er holte sie aus den Bergen von Grapperhausen. Dort kann man noch heute die Lehmkuhle sehen, aus der jener im Gedächtnis des Volkes fortlebende Schimmel die Steine geholt haben soll.
Nun ist so ein Kirchturm wahrlich nicht von heute auf morgen gebaut. Und der Weg von Neuenkirchen zur Lehmkuhle in Grapperhausen und von Grapperhausen nach Neuenkirchen ist weit, sehr weit. Der Weg ist noch weiter, wenn eine blinde Kreatur ihn zurücklegt. Im Sommer mühte sich der blinde Schimmel mit der Last der Bausteine durch Staub und Hitze, durstig und von den Bremsen gequält. Im Herbst kämpfte er gegen Sturm und Regen an. Im Winter versanken seine Hufe im Schnee. Doch der brave Schimmel schleppte Steine, bis der Turmbau vollendet war. Als der Kirchturm zur Ehre Gottes hoch in den Himmel ragte, da legte sich das treue Tier zu Tode erschöpft nieder. Seine Kräfte waren aufgezehrt und seine blinden Augen schlossen sich für immer.
In der Sage aber lebt der blinde Schimmel von Neuenkirchen fort als ein leuchtendes Beispiel für unermüdlichen Fleiß und selbstlose Opferbereitschaft.